Scharfe Geschütze by James Lear

Scharfe Geschütze by James Lear

Autor:James Lear
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmünder
veröffentlicht: 2015-11-15T00:00:00+00:00


10

Ich wachte um neun Uhr morgens auf, nachdem ich vielleicht vier Stunden geschlafen hatte. Benson saß bereits auf dem Bett. Er hatte die Arme verschränkt. Ich sagte 'Guten Morgen' und erhielt keine Antwort.

Jetzt geht das wieder los, dachte ich. Der zweite Akt war beendet. Wenigstens war er diesmal über Nacht geblieben. Jetzt kommen wieder die kleinlauten Ausreden und der mürrische Abschied, gefolgt von wochen- oder monatelangem Schweigen.

Ich sagte nichts mehr, rollte mich wieder auf mein Kissen und legte mir einen Arm über die Augen. Das konnte ich nicht noch mal mitmachen – die Ablehnung, die Schuldgefühle auf seinem Gesicht, die nagende Sehnsucht, während ich ihn zu vergessen versuchte.

'Geh nur, wenn du willst.'

Keine Antwort.

'Sie fragen sich bestimmt schon, wo du steckst.' Beinahe hätte ich die Namen aufgezählt – Brenda, Al Junior, Jeleen. Ich wollte nicht gehässig klingen, auch wenn mir danach war.

Immer noch keine Antwort. Was er konnte, konnte ich auch. Ich ging in die Küche und setzte Kaffee auf.

'Dan.'

Ich gab keine Antwort.

'Dan!' Dieses Mal kam es ganz aus der Nähe. Er stand nackt im Türrahmen. Mein Herz machte erst einen Sprung und rutschte mir dann in die Hose. Ich wollte ihn so sehr und konnte ihn doch nie haben. Jedenfalls nicht, ohne alle zu verletzen, die mir nahestanden – einschließlich mich selbst. Jedenfalls nicht, ohne seine Ehe in Stücke zu reißen. Eine Frau. Zwei Kinder. Das gesamte beschissene Sozialgefüge, und wofür?

'Großer Gott, Dan, rede mit mir.'

Ich stellte mich ihm gegenüber auf. Ich war ebenso nackt wie er.

'Okay, ich rede mit dir. Was willst du von mir hören?'

'Komm wieder ins Bett.' Er ging einen Schritt auf mich zu und legte mir eine Hand auf den Arm. 'Bitte. Wir müssen die Sache klären.'

Klären? Was denn? 'Gut. Aber nicht ohne Kaffee.'

Er gab mir einen Kuss. 'Aber beeil dich.'

Ich machte den Kaffee so schnell wie möglich und sprang zurück ins Bett. 'Dann mal los.'

'Nach dem letzten Mal – also dem ersten Mal – bin ich weggefahren.'

'Mmh.'

'Mit der Familie in Urlaub. Sollte eine Überraschung sein. Wir sind nach Miami geflogen. Hat mich ein Vermögen gekostet, aber … das war es wert.'

Also kein Gespräch über Fremde, die seine Frau vor der Schule ansprechen, keine unheimlichen Typen in geparkten Autos. 'Wie war das Wetter?'

Benson kraulte mir geistesabwesend die Brust. 'Gut', sagte er. 'Wir hatten schöne Tage dort.'

'Super. Eine glückliche Familie.'

'Das war jedenfalls die Idee dahinter.' Er schien gedankenverloren.

'Was ist denn passiert?'

'Ach, nichts. Das war ja das Problem. Nichts.' Seine Hand bewegte sich auf meinem Bauch nach unten, und die Finger vergruben sich im Pelz. 'Ich dachte, wenn wir … dass ich dann …'

'Was?'

'Wieder normal sein könnte. Dass ich alles hinter mir lassen könnte.'

Mir fiel seine Attacke von hinten gestern Abend ein, und ich musste lachen. 'Das ist dir ja gelungen.'

Benson war nicht zum Scherzen aufgelegt. Er zog seine Hand zurück.

'Tut mir leid. Erzähl weiter.'

'Alles ist hin, Dan. Es ist vorbei.'

Gott verzeihe mir, aber ich verspürte ein Triumphgefühl. 'Was ist vorbei?'

'Meine Ehe. Meine Familie. Alles.'

'Warum?'

'Du weißt warum.'

'Wegen mir?'

'Wegen dir. Wegen mir. Wegen dem, was ich will.'

'Weil du schwul bist.



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